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Willkommen zurück, Schlamm-Engel Nr. 62321

Was braucht es, um Krebspatienten Kraft zu spenden? Eine Welle der Solidarität. Der Muddy Angel Run gibt Frauen mit Brustkrebs eine Plattform. In Form eines Benefizlaufs im Schlamm.

Mein zweiter Schlammlauf im Gelände von Hüntwangen erlebe ich in diesem Jahr anders. Als Teilnehmerin will ich den Bogen weiter spannen: Ich will nicht nur für Brustkrebspatienten laufen. Sondern für alle, die als Betroffene gegen den Krebs gewinnen wollen. Für Verwandte, Freundinnen, Bekannte und Arbeitskollegen. Dabei denke ich zurück an Menschen, die den Krebs besiegten. Und erinnere mich an Personen aus meinem Umfeld, die den Kampf gegen dieses «fiese Monster» verloren haben. Das erste Mal wurde ich im Alter von 25  Jahren mit dem Krebs konfrontiert. Eine Arbeitskollegin starb an Leukämie.

 

Ich kenne bereits einige Hindernisse. Vieles präsentiert sich gleich wie vor 365 Tagen. Dinge, die ein Homo sapiens im Alltag oder am Schlammlauf nicht tun muss. Menschen, die an Krebs erkranken, müssen sich entscheiden. Für das Überleben. Oder sich mit Plan B, dem Tod auseinander zu setzen. Die Solidarität an diesem Anlass mit Betroffenen präsentiert sich gross. Ebenso bei mir. Denn der Krebs kämpft dreckig. Bestrahlungen, Chemotherapie nennen sich nicht Kindergeburtstag. So robbe ich durch die Schlammmulde. Erklimme einen Lastencontainer mit einer Strickleiter. Eine meiner Mistreiterinnen klettert trotz Höhenangst auf die XXLMetallkiste. Später tauche in der braunen Brühe. Obwohl ich im Kindergarten- und Schulalter die Übungen für den Grundlagentest zu den Schwimmabzeichen absolvierte, muss ich mich hier überwinden. Im standtiefen Wasser stehend, mindestens drei Sekunden untertauchen. Über Wasser anschliessend ausatmen. Auf der Seite des Schwimmsport-Verbands nennt sich diese Übung «Taucherli». Im gechlorten Hallenbad gelingt das locker. Im braungefärbten Nass grüble ich meinen Mut zusammen. Will ja kein Warmduscher sein.

Im standtiefen Wasser für mindestens drei Sekunden abtauchen. Über Wasser wieder ausatmen. Diese Übung nennt sich «s’Taucherli». (Muddy Angel Run, 2017.)

Neu im Parcours präsentiert sich eine «Hardcore-Gautschete» mit Plastikeimern. Diese ähnelt einer «Ice-Bucket-Challenge» und mutiert in 99,9% zu einer wilden Wasserschlacht unter den Teilnehmern am Hindernis. Meine Arbeitskollegin erwischt mich mit einer fliegenden Wasserwelle, die mich und mein rechtes Ohr samt Gehörgang für einen Augenblick überflutet. Mit dem Zitat «Angriff ist die beste Verteidigung» schicke ich mit meinem Plastikeimer einen neuen Wasserschwall zurück in Richtung der Angreiferin. Zufälligerweise schnappt die Gejagte in diesem Moment nach Luft. Wer über Kombinationsgabe verfügt – weiss, wie diese Szene endet. Es geschah nicht mit Absicht. Denn: Der Maulwurf in Leggins und orangem Shirt deponierte seine Sehgläser in der Garderobe. Also von Berechnung kann keine Rede sein. Es gleicht eher einem Zufallstreffer.

Mir ist bewusst:  Der Weg von Krebspatienten während der Behandlungszeit gestaltet sich weitaus beschwerlicher als die Teilnahme an einem Schlammlauf. Ich möchte den Betroffenen Kraft geben. Und den Menschen aus deren Umfeld zeigen, wie wichtig es sein kann, sich dem Tabuthema Krebs zu stellen. Es aufzuweichen. Egal wo. Sei es im Freundeskreis, innerhalb der Familie oder am Arbeitsplatz. Für mich steht schon jetzt fest:  Im Juli 2019 robbe ich wieder durch die Schlammmulde. Tauche wieder in der der braunen Suppe. Als Schlammengel für Betroffene. Gegen den Krebs.

 

Der Schlammengel Nr. 62321 kämpft für Betroffene.

 

 

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