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Die Rache eines Kleinwagens

 

„Warte nur, das zahle ich Dir heim,“ dachte sich wohl der Möchtegern-Porsche der Schreiberin. Das Auto, ein schwarzer Chevrolet Spark 1.2, mit roten Intarsien im Fahrerbereich stand an einem Dienstagmittag bis Donnerstagmorgen auf dem Aussenparkplatz im Dorf der sprechenden Kühe. Es herrschte munteres Schneetreiben und eisige Kälte.

Besässe die Karre Hirn und Seele, hätte sie die Besitzerin gewarnt.    Diese macht Einkäufe in der Migros nahe ihres Wohnortes. Es schneit und hudelt, die Bauamtsarbeiter haben alle Hände voll zu tun.  Sie befreien mit ihren Schneepflügen donnernd die Hauptstrassen und Trottoirs von Schnee und Matsch. Streuen Salz, um Eisglätte zu verhindern. Nach dem Einkaufstrip parkiert die Schreiberin den Wagen vor dem trauten Heim, hebt die Einkaufstaschen vom Rücksitz. Versetzt der Autotür einen sanften Stoss, um sie zu schliessen. Und so beginnt das Desaster.

 

In der Wohnung angekommen, hängen Jacke, Mütze und Schal kurze Zeit später in der Garderobe. Auf dem improvisierten Schuhregal aus Umzugskartons stehen die nassen Winterstiefel und freuen sich auf Wärme. Die Schreiberin packt ihre Einkaufstaschen aus und verstaut Milch, Früchtequark, Salat und Fleisch im Kühlschrank.

Ist vor dem Haus nicht in ein leises  Fluchen zu hören?

 

Die Schreiberin nimmt keine Notiz von dem fast lautlosen Gejammer ihres fahrbaren Untersatzes. Draussen schneit es weiter. Die Schneeflocken legen sich sanft auf Kühlerhaube, Frontscheibe und Dach und machen aus dem schwarzen Flitzer ein jungfräulich weisses Auto. Das Leben als Chevrolet im Winter ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Eisige Temperaturen und der fehlende Carport oder Garagenplatz begünstigen diesen Zustand. Und das liederliche Verhalten der Besitzerin runden das Drama ab. Was passiert, wenn eine Autotür nicht komplett geschlossen ist? Richtig: Die Batterie beginnt zu leiden – ganz langsam, mit progressivem Verlauf.  Bleibt der Schaden unentdeckt, beginnt das Auto zu rebellieren, auf gut schweizerdeutsch: zu „trötzele.“

 

So geschieht, was zu ahnen war: Die Schreiberin sitzt am Donnerstagmorgen in ihrem Wagen. Möchte zur Arbeit fahren. Doch der schnittige Chevrolet streikt. Akustisch mündet diese Trotzreaktion in ein Hüsteln oder Röcheln beim Versuch den Motor zu starten. Und könnte das Auto eine Hand zur Faust ballen, dürfte die Schreiberin mit jeder Garantie den ausgestreckten Mittelfinger bestaunen.

 

So muss die Besitzerin die Konsequenzen erdulden und blitzschnell handeln. Die Uhr zeigt sieben Uhr fünfunddreissig. Ihre Ankunft am Arbeitsplatz verzögere sich, schreibt sie in einer Kurzmitteilung auf ihrem Handy an den Arbeitgeber. Als nächstes telefoniert sie mit einem Mitarbeiter der Garage Peier in Unterentfelden. Erteilt den Auftrag, das „klinisch tote“ Auto abzuholen und wieder zu 100 Prozent fahrfähig zu machen.

 

 

Glücklicherweise streift eine Warmfront die Schweiz. Danke, Herr Bucheli!  Sie ermöglicht der leidgeprüften Besitzerin eine Fahrt mit dem Velo bei trockenem Wetter. Zwar nicht ganz freiwillig. Velohelm, darunter Mütze und Handschuhe, sind schnell übergestreift. Diese Fahrt ist auch eine Premiere. Seit die Schreiberin am neuen Wohnort lebt, hat sie diese Strecke noch nie mit dem Velo absolviert. Jänu, alles im Leben beginnt mit dem ersten Mal.

 

 

Im Büro angekommen, definiert die Teilzeit-Velofahrerin den Abholort des reparierten Möchtegern-Porsches neu. Aus Gründen der Bequemlichkeit soll die Rückgabe des Wagens an ihrem Arbeitsort stattfinden. Wieso kompliziert, wenn es einfach funktioniert.

 

 

Nach Feierabend steigt die Schreiberin zufrieden in ihren schwarzen Flitzer. Sie startet den Motor. Es klingt so wie immer. Wie eine schnurrende Katze. Sie lächelt zufrieden und verspricht ihrem schwarzen Hengst Chevrolet Spark ehrfürchtig, sämtliche Autotüren in Zukunft mit mehr Hüftschwung zu schliessen.

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