Ich soll Hotelgeschichte schreiben. So will es das Management des Hotel Paxmontana in Flüeli-Ranft, bestehend aus den beiden Gastgebern, Herr Thürig und Herr Gaspar.
Die Aufforderung lautet: das Gesehene oder Erlebte durch den Fern-Seher oder das Fernglas zu beschreiben. In einem weissen Tagebuch mit Goldschnitt festzuhalten. Natürlich schrieb ich ein paar Zeilen ins Buch im Zimmer 216. Und natürlich in meinen Blog. Ich bedanke mich bei den CEO’s vom Paxmontana für diese Steilpassvorlage oder Inspiration zu diesem Blogbeitrag. Und oute mich neben der Schreiberei als «Cüpli-Pilgerin».
Cüpli-Pilgern kann jede/r lernen
Der Begriff »Cüpli-Pilgern» zauberte Herrn Thürig, Gastgeber und Direktor des Hotel Paxmontana ein Grinsen ins Gesicht. Diesen Ausdruck hätte er noch nie gehört, meinte er. Wie funktioniert es denn, das Pilgern mit dem Sektglas? Ich nenne es «Wandern nach dem Lustprinzip». Wir wollen nicht brillieren, indem wir 500 oder mehr Höhenmeter überwinden. Unsere Wanderrouten dürfen ebenso an einem See oder Fluss entlangführen. Der Genuss soll im Vordergrund stehen. Dabei betreiben wir öfters «Wirtschaftskunde». Versuchen so, das Beizensterben zu verhindern. Sei es bei einem Salatteller oder dem Restaurantklassiker namens Schnipo. Gleichzeitig möchten wir nicht für das Aussterben einer Seilbahn, eines Taxiunternehmens oder der Aufhebung einer Postautolinie verantwortlich sein.
Die Asiaten geniessen ihren Aufenthalt in der Schweiz in vollen Zügen
Zurück zum Tagebuch im Hotelzimmer. Ich kritzelte ein paar Zeilen hinein und gestaltete eine 10 Minuten-Skizze mit dem Kugelschreiber vom Bergpanorama. Später entdecke ich einige Einträge von Asiaten. Zwar kann ich das Geschriebene nicht verstehen. Vielleicht schrieb einer: «Danke für die tolle Zeit im Hotel Paxmontana. Wir geniessen unsere Ferien in vollen Zügen.»Ach du grüne Neune, würden die Journalistenprofis rufen. Sich die Haare raufen, wenn sie diese Redewendung irgendwo entdecken. Der Einzige, der an dieser Formulierung Gefallen fände, wäre Andreas Meyer, der CEO der Schweizerischen Bundesbahnen. Ich vermute, er würde listig lächeln, sich die Hände reiben und überlegen, wann die nächste Preiserhöhung für sämtliche Bahntickets fällig wäre. Touristen wie die Japaner, Chinesen und Inder kümmert dies kaum. Nein, diese Volksgruppen setzen sich sogar freiwillig in die überfüllten Waggons der Jungfrau-Bahn. Fahren auf den Berg, der den Namen «Top of Europe» trägt.
Fern-sehen ohne Billag-Gebühren zu zahlen
Der Fern-Seher im Hotelzimmer fasziniert mich. So ist der Hotelgast für sein Fern-Seh-Programm verantwortlich. Nur die Billag guckt dabei in die Röhre. Durch den Feldstecher sieht Mann oder Frau Häuser, Bäume. Wanderer, Rotmilane, landwirtschaftliche Fahrzeuge. Und vielleicht eine Badenixe am Sarnersee. Dieser Genuss bleibt den Herrschaften vorbehalten bei Zimmern mit Seesicht. Das Fern-Seh-Publikum sieht Objekte und Wesen klarer. Schärfer. Grösser.
Wie einst den kleinen Kanarienvogel, der in den 70er-Jahren eines Morgens auf der Wiese bei unserem Wohnblock sass. Mutter holte den Fern-Seher der Marke Kern und beäugte den Piepmatz, der durch das Fernglas wie ein Adler aussah. Vater lachte nur und meinte, in der Region Aarau hätte bisher keine Menschenseele einen Greifvogel dieser Art gesichtet. Sämi, der Kanarienvogel erhielt die nächsten gefühlten 13 Jahre oder länger Asyl an der General Guisanstrasse. So lebte der tierische Sänger glücklich bis zum Ende seiner Tage in seinem Vogelkäfig. Er genoss seine Baderituale im Sommer nach Herzenslust in der Vogelbadewanne und absolvierte «geführte Rundflüge» durch die Familienwohnung. Häufig lieferte er sich einen Wettstreit mit dem sechsten Familienmitglied, ein Nilfisk-Staubsauger. So nach dem Motto: Ich-kann-lauter-und- schöner-zwitschern-als-der-doofe-Lärmgenerator.
Beamtenmikado im Hotelzimmer spielen
Das Fernglas vom Zimmer 216 im Hotel Paxmontana lieferte mir ebenso schöne Bilder. Ich sah saftige Wiesen. Die Kapelle von St. Niklausen sowie die Landstrasse, die später im Wald verschwand. Ich konnte locker im Bett liegen bleiben und mit dem Fern-Seher die Strasse beobachten. Vielleicht eine Verkehrszählung für den Kanton Obwalden durchführen. Ich verzichtete jedoch darauf, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Es würde Witze hageln wie zum Beispiel: Wie funktioniert Beamten-Mikado? Derjenige, der sich zuerst bewegt, hat verloren.
Dieses Hotel genoss ein aufwendiges Facelifting
Wie es denn wäre, hätte ich ein Zimmer zur Seeseite gebucht, erfuhr ich unter anderem auf der Hotelführung am Abreisetag. Herr Thomas Thürig führt eine kleine Gruppe von Hotelgästen durch das Jugendstilhotel. Das Hotel erfuhr 2009 eine Gesamtrenovation mit viel Liebe zum Detail. Ein zweijähriger Baumarathon absolvierten die Handwerker. Die Kosten lagen bei 27 Mio. Schweizer Franken, der jährliche Unterhalt kostet ca. 300’000 Franken pro Jahr, erzählt uns Herr Thürig. Ich finde, es hat sich gelohnt, dieses Schmuckstück zu renovieren. Ein wahres Bijou. Das Hotel Paxmontana befindet sich immer noch in Schweizer Besitz. Einige Uebernachtungsmöglichkeiten in der Innerschweiz hätten bereits ausländische Investoren oder Besitzer, informiert der Gastgeber weiter.
Das Hotel beherbergt nebst Touristen ebenso Hochzeitsgesellschaften, die ihr pompöses Fest feiern. Eine andere wichtige Einnahmequelle für das Jugendstilhotel sind Firmen, die Seminare oder Events durchführen. Unsere Führung mit dem Gastgeber Herr Thürig endet auf dem Dach des Hotels. Wir steigen auf der Wendeltreppe im Turmzimmer empor und dürfen eine erstklassige Aussicht auf den Sarner See geniessen. Dies, weil das Turmzimmer zu diesem Zeitpunkt nicht durch einen Hotelgast gebucht war. Es dient als Erweiterung zum Eckzimmer, besitzt eine kleine Kaffee-Ecke und einen antiken Tisch mit integriertem Schachbrett. Im überdachten Turm ist Mann oder Frau sozusagen auf Augenhöhe mit dem Schriftzug des Hotels und der Schweizer Fahne. Dieser wunderbare Ausblick und das preiswerte Angebot mit dem Namen 1. August-Package bestätigt mir das Gefühl: Es lohnt sich, in der Schweiz Ferien zu verbringen. Wieso nicht im Hotel Paxmontana? Oder im Hotel mit dem Namen Bergfrieden. Fuer mich steht fest: Ich komme wieder und freue mich aufs déja-Vue-Erlebnis.
2 Kommentare
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Liebe Silvia
Ich liebe es wie Du die Worte zu einer hinreissende Geschichte zusammenbaust; die sensible humoristische Ausdrucksweise garniert mit viel Charme und einer unglaublichen Kraft an bildlichen Schilderungen. Einfach amüsant, berührend, nachdenkend oder gar verträumt beendet man die jeweiligen Geschichten. Der Nachhall in den eigenen Gedanken angeregt durch Deine Worte ist immer faszinierend.
Ich freue mich schon jetzt wieder auf die Berichterstattung Deiner Erlebnisse.
Herzlichst
Dein Fan Oli