Reisen

Brötchen backen, Geld verdienen, Englisch lernen

 

„Stell Dir vor, ich habe das Visum beantragt, um in Neuseeland zu arbeiten. Mein Arbeitgeber ist die europeanbakery in Queenstown“, erzählte Sabrina ihrer Freundin Mirose. Das war irgendwann im Sommer 2016. Mirose zuckte cool mit den Schultern. „Ja ja, mal schauen, was sich daraus entwickelt,“ entgegnete sie. Die Frohnatur aus dem Wallis nahm die Worte von Sabrina zuerst nicht ernst. Doch Sabrina verfolgte ihren Plan weiter hartnäckig.

Begonnen hat alles im April 2016. Ein ehemaliger Arbeitskollege aus der JOWA Bäckerei besucht Sabrina in Aarau. Yannis hat bereits erste Erfahrungen in der Grossbäckerei in Neuseeland gemacht. Schwärmt vom Land, wo es mehr Schafe gibt als Einwohner und den Möglichkeiten als Bäcker tätig zu sein. Der entscheidende Satz, es sei eine Arbeitsstelle im Team frei, hat alles ins Rollen gebracht.

 

Erfolgsrezepte für ein glückliches und spannendes Leben gibt es zu Hauf. Jeder Mensch hat dazu unterschiedliche Bedürfnisse und Ideen. Wichtig ist, im richtigen Zeitpunkt mit der Planung zu beginnen. Sonst endet die Fahrt irgendwo auf dem Abstellgleis. Früher oder später.

 

Via Dubai und Sydney nach Queenstown

Sabrina ist nicht eine Person, die sich vom Leben diktieren lässt, was zu tun sei. Sie beeinflusst ihr Glück selber, hat deshalb die entscheidenden Weichen alleine gestellt. Die junge Frau wagt ein grosses Abenteuer. Sie flog am ersten Weihnachtstag im Airbus A380 von Air Emirates nach Queenstown, Neuseeland. Mit Zwischenlandungen in Dubai und Sydney. Am Dienstag, 27.Dezember 2016, um 03.20 Uhr MEZ setzte sie das erste Mal ihre Füsse auf neuseeländischen Boden. Die Schreiberin bewundert den Mut von Sabrina, während den nächsten 12 Monaten im Ausland zu arbeiten. Fernab von Familie und Freunden.

 

Sabrinas Vater erzählt der Schreiberin auf der Rückfahrt vom Flughafen nach Aarau einige Details zu seiner Tochter. Zur Kündigung, ihre Freude als Bäckerin zu arbeiten undsoweiter. Teilweise in haarkleiner Art und Weise. Als ehemaliger Frisör und einst Chef einer Coiffeur Fachschule passt dieses Adjektiv. Walter wüsste auch viele Geschichten aus dieser Zeit zu erzählen. Denn zwischen Haare waschen und Föhnen darf sich ein Coiffeur so manche Lebensgeschichte seiner Kunden anhören. Material für ein spannendes Buch wäre sicher vorhanden. Doch ein Mann wie er wahrt die Diskretion seiner Kunden, Kundinnen und schweigt.

 

Zurück zu Sabrina. Begonnen hat alles im April 2016. Die Mitdreissigerin, geboren Mitte November im Sternzeichen Skorpions erhält Besuch von Yannis, einem ehemaligen Arbeitskollegen aus der Migros Bäckerei in Gränichen. Er erklärt ihr die Do’s und Dont’s im fremden Land. Tipps von einem Profi sind natürlich eine grosse Hilfe. Diese Ratschläge setzen sich in Sabrinas Hirn fest. Sie wägt ab, bespricht sich mit ihren Eltern. Vater und Mutter bestärken ihre Tochter, diese Chance zu packen.  Kurze Zeit später steht der Entscheid fest: Sabrina wird ihre Anstellung bei der JOWA AG kündigen und im Dezember 2016 nach Neuseeland fliegen. Dort leben und arbeiten.

 

WG im Haus der Chefin

Sabrinas neuer Arbeitsort ist eine Grossbäckerei in Queenstown. Die Stadt liegt auf der Südinsel und hat sich dem Abenteuertourismus verschrieben. Sportarten wie Skifahren, Extrembergsteigen, Mountainbiking, Jetbootfahren, und Wandern locken Touristen in die ehemalige Goldgräberstadt. Glaubt man den Zeilen von Wikipedia, soll das kommerzielle Bungeespringen aus Queenstown stammen. A.J. Hackett habe es erfunden. Die Schreiberin kennt den Mann nicht und denkt sich nur: Solange der Typ nicht behauptet, er hätte die Ricola-Bonbons erfunden, bleibt die Kirche im Dorf.  Apropos Dorf:  Die Wohnsituation von Sabrina sieht so aus: Sie lebt im alten Hausteil ihrer Chefin gemeinsam mit vier Männern und einer Frau unter einem Dach.  Eine Wohngemeinschaft mit Italienern und Schweizern. Die Bäckerei wird von einem Schweizer Paar geführt.  Die internationale Zusammensetzung bringt eine grosse Vielfalt in Sachen Knowhow ins Team. Sabrina kann Erfahrungen als Bäckerin und Patisseurin vorweisen. Die einzige Barriere, die sie noch überwinden muss: Die Englischkenntnisse massiv steigern.

 

Am Aarauer Bachfischet im September 2016 erzählt Sabrina der Schreiberin, ihr Englisch sei noch verbesserungswürdig. Für einen Intensivkurs in Englisch hat es vor der Abreise nicht mehr gereicht. Somit reiste sie vollkommen talentfrei nach Neuseeland. Fakt ist: Die Sprache am Arbeitsplatz ist Englisch. Auch wenn die junge Bäckersfrau mit den langen rotbraunen Haaren momentan kein Wort versteht. Im Team sind unterschiedliche Nationalitäten vertreten, auch Schweizer. Wenn Sabrinas Miene dem Gesprächspartner zeigt, „ich verstehe nur Bahnhof“, findet die Kommunikation notfalls mit Händen und Füssen statt. Eine Methode, die auf der ganzen Welt praktiziert wird.

 

Am 1. Weihnachtsabend herrscht mässiger Rummel in Zürich-Flughafen. Draussen nachtet es bereits. Sabrina steht mit ihrem Vater im Check-In 2 am Schalter von Air Emirates. Das Prozedere für die Gepäckabgabe dauert länger. Ihr Gepäck hat Übergewicht, bei der zierlichen Frau wäre dies kein Thema. Die Diskussionen mit der Dame am Schalter der arabischen Fluglinie helfen nichts. Ein paar wenige Utensilien wie Shirts sowie ein Frottiertuch kommen zurück in Sabrinas Kleiderschrank.  Das Gepäck hat die Limite von 32 kg überschritten, der Koffer wiegt 35 kg. Nach der Episode am Check-In Schalter ist Sabrina leicht genervt, wirkt nervös. Freunde und Verwandte verfolgen die Geschehnisse am Rand der Check-In Zone sitzend. Die Mutter leidet mit.

 

Bier und Kaffee in der ByeBye-Bar

Eltern und Freunde verschieben sich anschliessend in Richtung ByeBye Bar, bestellen Bier und Kaffee. die Schreiberin gehört ebenfalls zur Gruppe. Obwohl sie, mit Ausnahme von Sabrina, niemanden wirklich kennt, fühlt sie sich sofort heimisch und willkommen. Die Hauptperson  entfernt sich von ihren Lieben und besucht gemeinsam mit einer Freundin in der Zwischenzeit eine ehemalige Arbeitskollegin in der nahegelegenen Flughafenbäckerei. Nimmt sich aus dem „Schussfeld“. Sie steht nicht gerne im Mittelpunkt. Jedenfalls nicht in der aktuellen Situation.

 

Der Fanclub trinkt ein erstes Mal in Abwesenheit auf den Reisevogel, spricht einen Toast aus. Die Gläser des Abschiedskomitees sind halbvoll, als Sabrina zur Gruppe zurückkehrt. Sie bestellt sich ein Mineralwasser. Aus gesundheitlichen Gründen trinkt sie vor und während dem Flug keinen Alkohol. Sie muss im Flieger eine Ampulle Blutverdünner spritzen. Es folgt ein zweiter Trinkspruch. Die jüngste Person, die ebenfalls zur Gruppe gehört, ist zwei Jahre alt.  Sie lockert mit Schabernack und ihrem eigenen Showprogramm die leicht bedrückte Stimmung in der Gruppe auf. Hüpft fröhlich durch die ByeBye-Bar und bringt Papa und Mama ins Schwitzen.  Es ist 20.10 Uhr.

 

Sabrina verkündet, sie mache sich um halb neun auf den Weg zum Gate. Eine Unruhe nimmt die Fangruppe in Beschlag. In wenigen Minuten gilt es ernst. Als erstes verabschiedet sich Sabrina von der Schreiberin. Die beiden liegen sich in den Armen, schweigen einen kurzen Moment.  Mit Tränen in den Augen und den Worten, sie mache das Richtige, verabschiedet die Schreiberin ihre Kollegin. So geht der Umarmungsmarathon weiter. Sie umarmt innig ihre Eltern. Bei allen Teilnehmern der Gruppe glänzen die Augen feucht. Die jüngste in der Gruppe erhält als letzte einen dicken Kuss von Sabrina. Obwohl die Kleine erst zwei Lenze zählt, nimmt sie die bedrückte Stimmung auf. Um es zu kommentieren oder zu analysieren, ist sie natürlich noch zu klein. Sie spürt einen Unterschied. Nichts ist so wie immer. Heute ist alles anders.

 

Sabrina sah den Vater noch nie weinen

Auf dem Weg zur Passkontrolle murmelt Sabrina leise: „Ich habe meinen Vater noch nie weinen sehen“. Klein Debbie scharwenzelt indessen um den Polizeibeamten in der Passkontrolle. Verzaubert ihn mit ihrem Charme und erhält dafür Schokolade. Sie strahlt und quietscht vor Freude. Vor der Schranke der Passkontrolle gilt es nun ernst. Mit den Worten „i gange jetz“ packt Sabrina ihr Handgepäck, scannt ihr Ticket und marschiert schnurstracks durch die Schranke, die sich geöffnet hat. Die Worte „Tschau und guten Flug“ verhallen nicht ungehört im langen Gang. Sabrina läuft weiter, dreht sich nicht um.  Ob Tränen flossen Tränen bei ihrem Marsch zur Sicherheitskontrolle? Es bleibt Sabrinas Geheimnis. Die Schreiberin bewundert die Coolness ihrer Kollegin und fragt sich: Würde sie auch so reagieren? Wäre sie dazu überhaupt imstande? Oder würde sie von Tränen übermannt? Diese Geschichte würde dann heissen: Willkommen im Tränenmeer oder mein Leben als Bewohnerin einer Pfahlbauersiedlung.

 

Die Schreiberin ist überzeugt: Sabrina packt ihre Chance. Nach ihrem Aufenthalt in Neuseeland bringt sie einen riesigen Rucksack mit Erfahrungen nach Hause. Und spricht so gut Englisch, als hätte sie nie etwas Anderes gemacht. Während ihrem Aufenthalt teilt sie ihre Erlebnisse in Neuseeland mit Familie und Freunden. Via Facebook, WhatsApp oder per Skype. Eines ist klar: Die Schreiberin widmet ihrer Kollegin diesen Blog-Beitrag.Wenn möglich, packen die Eltern von Sabrina die Gelegenheit beim Schopf und fliegen nach Neuseeland. Fliegen mit Sabrina nach Hause und verbringen vorher, wenn möglich, ein paar Tage in DownUnder. Es wäre Ihnen zu gönnen. Die Zauberfee möge diesen Wunsch erfüllen.

 

Garantiert ist: Die Schreiberin steht, so Gott will, bei der Rückkehr von Sabrina und ihren Eltern wieder in Zürich-Flughafen. Um sie alle in Empfang in zu nehmen und in die Arme zu schliessen. Gute Reise Sabrina –  and have a good time in New Zealand.

 

 

 

 

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