Allgemein, Unterhaltung

Inestäche, umschloh – durezieh und abeloh

Müsste ich den Handarbeitsunterricht mit Gemüse vergleichen, würde ich ihn Rosenkohl nennen. Das grüne Gemüse, ebenso bekannt als Brüsseler Kohl gehört nicht zu meinen Leibspeisen. Und den Handarbeitsunterricht bezeichne ich als lästiges Pflichtfach, wo ich halt dabei sein musste.

Wäre in meiner Jugendzeit der Titel dieser Geschichte ein Hitparadenklassiker gewesen, sähe die Lage vielleicht anders aus. Aber nein, die Band Subzonic schuf den Hit «Titelgschicht» mit den vier Verben im Songtext erst 1999. Zu einer Zeit, wo sich meine Stricknadeln, Gufechüssi und Schnittmuster bereits im Pfefferland wähnten. Kurz gesagt: Die Motivation, Socken zu lismen oder Kleider zu nähen lag bei mir auf der zehnstufigen Skala bei minus 15. Benötige ich heute Wollsocken, kaufe ich sie am Weihnachtsmarkt des Alterszentrums.

Ein Drama in zwei Akten mit Paddington 

Das Drama im «Handsgiunterricht» begann in der dritten Primarschulklasse. Ich erinnere mich an Handarbeitsprojekte wie Turnsäckli. In senfgelber Farbe. Bestickt mit den Initialen meines Vor- und Familiennamens. SR. Wow. Heute lebt der Retro-Turnbeutel als Behältnis für Wäscheklammern weiter. Beim Lismen strickte ich einen Bären im Miniformat. Den braunen Mutz verhuddelte Grischa, meine Lieblingskatze aus Unterentfelden beim übermütigen Spiel. Was nicht weiter schlimm ist. Das einzig Positive im Handsgiunterricht war Fräulein Graf, die Schnurpfitante. Ein älteres Semester. Sie las uns oft beim Stricken die Geschichte von Paddington vor. Vom Bären mit Schlapphut. Der bei einer Familie aus London eine neue Heimat fand und am liebsten Marmelade futterte.

 

Mein Hantieren mit Wolle und Stoff erlebte zweimal einen Mini-Höhenflug bis zur Note 5.0. Diese stand beim Übertritt von der Primarschule in die Sekundarschule im Austrittszeugnis. Und bei der Entlassung aus der obligatorischen Schulpflicht.  Ein Mitleidsbonus zu Ende der Schulzeit? Ich vermute es. Als wenig motivierte Schülerin im Schnurpfiunterricht glänzte ich nicht mit Höchstleistungen. Bedeutet in Worten: Gab sich Mühe. Und hatte sie ebenso. So wurde das Nachsitzen zum Thema, weil ich im Schneckentempo arbeitete. Das Nähen vom hässlichen Jupe, Kulturbeutel sowie Bademantel &Co. schaukelte sich so beinahe zur unendlichen Geschichte hoch. Und für die Modewelt stand später fest: Das Mädchen mit dem rotblonden Haarschopf verzichtete freiwillig darauf, als Bekleidungsgestalterin Karriere zu machen. Die Erlösung vom Handarbeitsunterricht geschah erst beim Übertritt in die vierte Sekundarklasse.

 

Betrachte ich heute meine Schulzeugnisse der erweiterten Kreativ-Abteilung wie Zeichnen, Gesang, Instrumentalunterricht und Hauswirtschaft, entdecke ich Unterschiede in der Benotung. Und erlaube mir heute, diese kritisch zu hinterfragen. Ich meine das Zeichnen. Wie benoten Lehrpersonen ein Fach, wo es keine wöchentliche Benotung auf das gezeichnete Kunstwerk gab? So à la Handgelenk mal Zahl pi? In der Primarschule kassierte ich für Kunst auf Papier meistens einen Viereinhalber. Später in der ersten Sekundarklasse hagelte es in Semester eins und zwei einen Dreieinhalber. Ich nenne es den kreativen Untergang. Vermutlich ein Übel, mit dem bereits die berühmten Maler in ihren Schaffensphasen zu kämpfen hatten. Der spätere Aufstieg und das Verharren auf dem Vierkommafünfer stufe ich als chronische Verlegenheitsbenotung meiner Lehrpersonen ein. Das wäre durchaus ein Diskussionsthema bei der nächsten Klassenzusammenkunft. Was meine zeichnerische Zukunft betrifft, schliesse ich es nicht aus, hin und wieder zu Papier und Stift zu greifen. Jedoch stelle ich fest: Das Fotografieren hat durchaus Vorteile gegenüber der Zeichnerei. Komplizierte Objekte lassen sich einfacher festhalten. Wer es schafft, den Mähdrescher, Alltagssituationen oder witzige Comics zu gestalten, sollte die Malsachen nicht weglegen.

Wenn  Schulflöhe Putzlappen tanzen lassen

Im Hauswirtschaftsunterricht zeigte ich mehr Motivation. Erhielt ebenso den Viereinhalber, sogar mal einen Fünfer im Zeugnis. Schliesslich galt es als Erwachsener zu überleben. Das wusste ich schon damals. Das Brutzeln von Speisen in der Schulküche untermalte unsere Schulklasse mit minimalem Schabernack. Da flog ab und zu ein Putzlappen, ein Wandtafelschwamm, selten ein Ei durch den Raum. Die Kochschultanten hielten damals den Sack der wilden Schulflöhe mehr oder weniger erfolgreich im Zaum. Jetzt sorge ich als Selbstversorgerin für mein leibliches Wohl. Und hin und wieder dürfen sogar Gäste von meinen Kochkünsten profitieren. Verheerende Pannen in der Küche gab es bisher keine zu verzeichnen. Und nie fiel ein Gast nach Luft japsend vom Stuhl. Da sage ich nur: Ziel erreicht.

 

Zu Gesang und Musik lässt sich sagen: Singen fand ich super. Erhielt meistens die Note Fünf. Wie im Instrumentalunterricht mit der Querflöte. Die grosse Schwester der Zauberflöte legte ich nach Ende der Schulzeit beiseite. Beim Eintritt in den Musikverein. Dem Dirigenten fehlte damals eine Musikantin für ein Instrument. So erlebte ich als Newcomer echte Talentförderung. Besuchte einen Kurs und spielte Timpani, auch Kesselpauke genannt. Später, als Mitglied der Stadtmusik Aarau blieb ich weiter den Schlaginstrumenten treu. Bis Ende 2011. Seit diesem Zeitpunkt singe ich mit Insbrunst unter der Dusche.

 

Wo Holzbeinpariser vor dem Erfrieren schützen

Zurück zum Werkeln mit Wolle. Das Lisme lasse ich links liegen. Mir passt das Häkeln besser. Ein Jahrhundert-Häkelwerk startete ich vor knapp drei Jahren. Ich begann, farbige Plätzli zu häkeln. In der Hoffnung, es gäbe daraus eine Kuscheldecke. Die Kuscheldecke befindet sich momentan im Standby-Modus. Ihre Vergrösserung kann warten. Aktuell steht das Projekt Holzbeinpariser im Vordergrund. Für meine Stühle mit Esszimmer. Wo das Verhindern von Geschlechtskrankheiten trotzdem nie zum Thema würde. Denn Stuhlbeinsocken verhindern Kratzer im Laminatboden. So kaufte ich kürzlich schwarze Wolle. Als Randabschluss häkle ich die letzten zwei Runden in Farbe. Der Hingucker. Spätestens zum nächsten Winter, sollen meine sechs Stühle mit 24 Beinen nicht mehr frieren. Jetzt darf sich zuerst der Frühling austoben.

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