«Ich bin nicht Dein Entsorgungsunternehmen.» Diesen Satz und weitere Zeilen las ich kürzlich in einer E-Mail-Mitteilung, die an mich adressiert war. Klar könnte ich sagen, ich war wütend über das Geschriebene. Soll ich mich der Wut hingeben und mich darin baden oder suhlen? Nein, es wäre reine Energieverschwendung.
Könnte ich damit Strom erzeugen, sähe die Situation anders aus. Der Verwaltungsratspräsident von Axpo würde mir garantiert den roten Teppich ausrollen und mich in der Kreativ-Abteilung für erneuerbare Energien willkommen heissen. Wetten?
Der Inhalt der Nachricht fordert mich auf, meine restlichen Habseligkeiten an meinem alten Wohnort abzuholen. Ich weiss nur Folgendes: Mein alter Drahtesel namens Silux, ein Dreigänger, fristet ein trauriges Dasein im Abstellraum. Was die Anzahl der restlichen Gegenstände oder Utensilien betrifft, tappe ich im Dunkeln. So fahre ich an meine alte Wohnadresse. Ein Nachfragen direkt vor Ort liefert mir nicht die gewünschten Antworten. Ich erhalte die Info, ich soll alles an einem Dienstag abends abholen. So packe ich den Göppel ins Auto und fahre mit offener Kofferraumklappe zurück ins Dorf der sprechenden Kühe.
Reicht ein süsser Hundeblick für Lunchpakete oder ein Kräuterölbad in der Wanne?
Ich starte meine Philosophien mit der Briefpost, die sich im alten Heim angesammelt hat. 90% aller Absender kennen die neue Adresse. Ich öffne nun Couverts von Gesangs- und Musikvereinen, teilweise mit Zustelldaten von März oder früher. Dabei stelle ich ebenso mit «Wehmut» fest, einige Generalversammlungen von Schweizer Firmen verpasst zu haben. Banken, Versicherungen und Pharmaunternehmen luden ein zu Blabla und Gratisgymnastik. Das wechselseitige Erheben der Hand für die Stimmabgabe strengt natürlich an. Der körperliche Aufwand wird belohnt mit Gratisunterhaltung. Und zur Stärkung wartet vielleicht ein Apero oder Lunchpaket auf den Versammlungsteilnehmer. Ich hätte etliche Kalorien zu mir nehmen können. Schade. Ich habe es verpasst. Ich als linienbewusste Bloggerin muss auf meine Figur achten. Diäten von Weight Watchers oder Ähnliche brauche ich nicht anzuwenden. Meine Diätprogramm würde «Friss 2x die Hälfte» heissen. Nötig dazu wären mehrere Lunchpakete, die ich mit süssem Hundeblick oder einer rührseligen Story zu erheischen versuche. Die nächsten Aktionärsversammlungen kommen wieder…
Nach den anstrengenden Teilnahmen als Aktionärin der einzelnen Generalversammlungen könnte ich mir Wellnessmomente gönnen. Im Koffer finde ich dazu ein Kräuterölbad aus 1001er Nacht. So steht es auf der blauen Verpackung. Eine abstrakt gemalte weibliche Gestalt, füdliblutt, verziert die Kartonschachtel. Die grünbraune Badeessenz rieche nach Jasmin und Grüntee heisst es weiter. Nun, alles schön und gut. Was soll ich mit einer Flasche Kräuterölbad anstellen, wenn ich nur eine Dusche besitze? Den Flascheninhalt über mich giessen und anschliessend heiss duschen? Etwas umständlich, in einer Duschkabine ein Wellness-Feeling provozieren zu wollen. So kann die Warterei auf die erwünschte Entspannung verdammt lange dauern. Oder den nächsten Wellnessaufenthalt im Hotel so gestalten, wo es genügend Zeitfenster gäbe, um mehrere Entspannungsbäder mit der JasminGrüntee-Brühe in der Wanne zu geniessen. Oder ich melde ich als Lockvogel bei der Sendung «Verstehen Sie Spass» in Badeanzug und Bademantel. Bewaffne mich mit dem Kräuterbad, klingle mich in einer Stadt querbeet durch ein nobles Einfamilienhausquartier.Frage um Erlaubnis, mein Kräuterölbad in der Badewanne des Eigentümers ausprobieren zu dürfen. Aber ohne den Eigentümer. Oder verschenke ich das Kräuterbad besser?
Mit Hygienemasken an die Technoparty fahren und den Stein in Zürisee schmeissen?
Als etwas ungewöhnlich betrachte ich die Beigabe der Hygienemasken. Sie schlummerten im Badezimmerschrank, warteten auf einen Einsatz. Glücklicherweise kam es nie dazu. Es gab eine Phase im Kanton Aargau, als das Wort «Pandemie» in aller Munde war. Das liegt sicher zehn Jahre zurück. Was stelle ich nun mit ihnen an? Plane ich eine zweite Karriere als Laborantin? Oder gehe ich damit an die nächste Fasnacht oder Technoparty? Als Krankenschwester? Ebenso wäre ich für die nächste Pandemie vorbereitet. Natürlich verschenke ich gerne einige der Masken. Interessenten können sich melden.
Der nächste Gegenstand, den ich im Koffer finde ist ein Stein. Beladen mit einer hohen Symbolik. Der Pfarrer, der uns damals kirchlich vermählte, schenkte uns zwei Steine. Der eine war ein rund, der andere besass neben seiner runden Form einige Ecken und Kanten. Wie im richtigen Leben. Der Pfarrer fischte die beiden schwarz-weiss gesprenkelten Brocken aus einem Bergbach. Ein runder und ein eben leicht kantiger Stein lagen damals auf dem Traualtar. Was mache ich mit dem grossen Kiesel? Ich habe keinen blassen Schimmer. Erhält er bei mir einen Job als Briefbeschwerer? Gebe ich ihn irgendwann der Natur zurück? Oder lasse ich ihn verwandeln? Als Aschenbecher, Kerzenhalter oder Vase? Mal sehen. Ich muss mich nicht entscheiden. Ich kann mir Zeit lassen.
Männer brauchen keine Tampons und mein Göppel erlebt vielleicht den zweiten Frühling
Was gab der Koffer für weitere «Schätze» preis? Ich finde Tampons. Die machen Sinn und gehören in Frauenhände. Männer wissen damit eh nichts anzufangen. Turnschuhe sowie ein Paar schwarze Schuhe, Grösse 39 entdecke ich ebenfalls. Die schwarzen Schuhe finden in der nächsten Brocki mit Garantie einen neuen Besitzer. Meine Füsse fühlen sich wohler in Schuhen mit Grösse 40. Haben Sie gewusst, häufig kaufen sich Herr und Frau Schweizer die Schuhe in z u kleinen Grössen. Das sei ungesund. Meinen die Orthopäden. Vielleicht blasen die Podologen und Podologinnen ins gleiche Horn und vertreten ebenso diese Meinung.
Im Koffer lag ebenfalls eine alte Sporttasche aus dem Hause Interdiscount. Ich habe sie bereits entsorgt. Sie ist etwas gross und nicht handlich. Um dem Inhalt des Koffers etwas Würze zu verleihen, finde ich zusätzlich eine Tube Tomatenpüree, Kokosmilch und ein Glas Thai-Currypaste. Und für die Romantik ist gesorgt: Zirka 100 Rechaudkerzen runden die Angebotspalette ab. Prima.
Zum Schluss widme ich die letzten Philosophien in diesem Beitrag meinem alten Fahrrad. Ein silbergrauer Göppel. Der Drahtesel begleitete mich während der Schulzeit in die Sekundarschule. Zum Einkauf in den Quartierladen in der Goldern. In die Badi. Oder an den Bahnhof Aarau während meiner Zeit als Pendlerin. Nach einer langen passiven «Leidenszeit» im Abstellraum im Entenfeld erlöste ich es kürzlich von seinen Qualen. Mit einem platten Reifen, kaputter Gangschaltung und einigen Rostflecken und brachte ich es in den «Velofriedhof». Besser bekannt als Metallsammlung. Vielleicht erlebt mein Velo jetzt den zweiten Frühling und darf irgendwo in einem Drittwelt-Land weiterleben. Ich würde es ihm wünschen.
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