Elton John Hallenstadion Zürich
Unterhaltung

Wonderful crazy Night

Eine wunderbare verrückte Nacht liegt hinter mir. Wer jetzt denkt, es käme irgendetwas Unanständiges oder Intimes, irrt gewaltig. Ein Vorkommnis in dieser Geschichte war einschläfernd. Aber Langeweile kam nie auf. Das Konzert von Elton John gefiel der Frauenrunde.

Das Konzert, ein Geburtstagsgeschenk der beiden Töchter an Mutter, war herrlich. Nicht nur Mutter, auch die beiden Mädels finden Gefallen an der Musik von Sir Reginald Kenneth Dwight.

Die Anreise nach Zürich oder das unter Zwang weggeworfene
Sandwich beim Eingang vor dem Hallenstadion ist keine Geschichte wert. Die Sandwich-Geschichte hätte so oder so zu wenig Fleisch am Knochen. Logisch, bei einem Käse-Sandwich.

Die Heimreise beginnt eine Stunde vor Mitternacht. Das blaue Tram Nummer elf Richtung Rehalp tuckert durch die Strassen von Zürich. Die Menschenmassen eilen von der Station Hauptbahnhof ins Bahnhofsgebäude. Der Weihnachtsmarkt in der Bahnhofshalle ist bereits geschlossen, einzig der Swarovski Weihnachtsbaum thront in der Halle und schaut dem munteren Treiben der Menschen zu. Und der Engel von Niki de Saint Phalle wacht über die nächtliche Szenerie.

Der Regio-Express nach Aarau wartet auf Gleis 16. Die Fahrt dauert knapp 30 Minuten. Die Schreiberin wäre reif für die Horizontale. Sie schliesst ein paar Sekunden die Augen, möchte einfach nur dem Geplapper einzelner Fahrgäste lauschen. Doch es liegt zu viel Energie in der Luft, meine beiden Begleiterinnen lassen den Abend Revue passieren. Gackern wie die Hühner. Ist so entspanntes Lauschen oder Dösen möglich? Nein. In Aarau angekommen trennen sich die Wege der drei Konzertbesucherinnen.Ich eile in Richtung Regionalbahn, die ins Suhrental fährt. Es ist der letzte Kurs vor Betriebsschluss.

Mister Sandman, bring me a dream…

Die Bahn ins Suhrental  fährt los. Vorbei an den Haltestellen Binzenhof, Distelberg bis nach Unterentfelden Post. Diese Station kenne ich wie meine eigene Hosentasche. Unter normalen Umständen wäre hier Endstation. Meine Fahrt geht weiter. Die Lautsprecherdurchsage «Oberentfelden Uerkenbrücke» nimmt die Schreiberin noch wahr. Bei Tage besteht dort die Möglichkeit den Einkauf in der Migros zu erledigen. Doch um 00.20 Uhr ist der Parkplatz des Grossisten leer. Die Filiale mit dem grossen orangen M liegt im Dunkeln.
Die nächste Station heisst Oberentfelden Engelplatz. Ich tauche ab  ins Reich der Träume. Ein Engel – oder vielleicht ein Bengel, setzt sich an dieser Station ins Zugabteil in mein Abteil. «Schlaf, liebe Silvia, ruh Dich aus und träum was Schönes,» haucht er leise und listig. In Muhen Nord verlässt der Engel die Regionalbahn, lässt mich schlafen und fliegt in den Nachthimmel. Blöde Cheib, würde ich denken im Wachzustand. So verpasse ich meine Haltestelle. Mein Bett übt sich in Geduld. Die Regionalbahn fährt weiter durch die Nacht.Bis nach Schöftland.

Die Lautsprecherdurchsage  «Schöftland, Endstation, bitte alle aussteigen» rüttelt mich aus dem Schlaf.  Etwas ungläubig und verschlafen blicke ich um mich. Das Erwachen gleicht einem bösen Traum. Alle Fahrgäste packen ihre Taschen. Warten bis sich die Türen öffnen. Die Schreiberin hat ihre Zielhaltestelle in Muhen verpasst. Sie flucht leise. Scheibenkleister. Ein Fahrgast, ein junger Mann, wünscht ihr einen schönen Abend. Normalerweise wäre sie schlagfertig, würde mit einer passenden Antwort kontern. Doch der Schrecken über die unfreiwillige Weiterfahrt im «Schlafwagen» sitzt zu tief. Die letzten Fahrgäste entschwinden in alle Richtungen. Als einzige Person stehe ich nun in Schöftland Downtown und frage mich: Wie weiter?  Währenddessen Strecke mir die Bahnhofsuhr die Zunge raus und ruft frech: «Es ist 00.36 Uhr!»

Bin ich ein unfreiwilliges Wanderdouble fürs SRF ?

Der Bahnhof liegt einsam und verlassen in der Dunkelheit. Der erste Zug fährt nach fünf Uhr. Schöftland ist zwar gross,  nach Mitternacht klappen die Einwohner die Bordsteine hoch. Lohnt es sich, ein Taxi zu rufen? Es wäre eine Möglichkeit. Ich entscheide mich anders. Laufe los. In dieser Situation macht es keinen Sinn, sich in Geduld zu üben. Auf ein Taxi zu warten. Ich ziehe meine Wollmütze tiefer ins Gesicht, streife die Handschuhe über. Mein Gehirn arbeitet auf Hochtouren. Liesse sich dieser unfreiwillige Streifzug von Schöftland Richtung Muhen trotzdem beschleunigen? Mit Autostopp? Alleine als Frau? Ist für eine alleinreisende Frau zu gefährlich. Ich überlege weiter: Bei meiner Nachtwanderung durch das Suhrental gehe ich an sämtlichen Haltestellen der Regionalbahn, an Einkaufsläden und Schulanlagen vorbei. Steht dort ein ungesicherter, ausgedienter alter Drahtesel? Erbarmt sich meiner Situation und flüstert:«Schwing Dich in den Sattel, ich fahr Dich heim.» Soll ich 43 Jahren eine illegale Tat begehen und ein Velo klauen? Ich wäre fast zu allem bereit.

Klauen Frauen Fahrräder?

Die Suche nach einem alten Drahtesel gestaltet sich  schwierig. Mit dem Ziel, so schnell wie möglich nach Hause zu gelangen, laufe ich suchend der Hauptstrasse entlang. Entdecke Velos, die zu neu aussehen und natürlich mit Kette oder Schloss gesichert sind. So radikal bin ich halt doch nicht. Und das passende Werkzeug für das Aufbrechen von Vetoschlössern trage ich zufälligerweise nicht in meiner Handtasche.. Oder gibt es Frauen, die mit Seitenschneider oder Zange das Nachtleben geniessen wollen? Wohl kaum.
Bei der Haltestelle Schöftland Nordweg bietet sich die erste Gelegenheit, das reichhaltige Angebot an Velos zu sichten – wären da nicht zwei stehende Autos mit laufendem Motor. So ein Pech. Was nun? Warten oder weitergehen? Ich laufe weiter. Die Uhr auf dem Handy der Nachtwandlerin verkündet das Ende der Geisterstunde. Geister sind keine unterwegs, nur ein Einsatzfahrzeug der Polizei fährt Richtung Schöftland. Es heisst doch die Polizei sei ein Freund und Helfer. Leider bietet die Polizei bietet keine Transportdienste an. Nur Verbrecher wie Bankräuber  dürfen diese Dienstleistung in Anspruch nehmen.

Das Ortsschild verkündet: Hirschthal.
Der Nachtspaziergang zu später Stunde bietet auch Möglichkeiten für neue Gedankengänge. Und so entsteht im Kopf der Nachtwandlerin ein dieser Blogbeitrag. Das RIBAG Areal in Muhen ist erreicht. Hier findet sich ebenso kein alter Göppel. Der Weg bis zur meiner Wohnadresse zieht  zieht sich dahin. Um Viertel nach eins dreht sich der Hausschlüssel im Türschloss.  Erleichterung macht sich breit. Endlich daheim. Ich falle nach dem Zähneputzen müde ins Bett. Der Wecker zeigt die Uhrzeit an: 01.32 Uhr. In knapp sechs Stunden meldet er sich  erbarmungslos. Und ein neuer Arbeitstag im runden Bunker beginnt. Gähn.

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